Bundestagsadler  Deutscher Bundestag - Online-Konferenz
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Thema:

"Ein neues Staatsbürgerschaftsrecht", Abg. Ulla Jelpke

Absender:Friederike Scheuer
Frage:Frau Jelpke,

in der DDR gab es sehr viele Gastarbeiter aus kommunistischen "Brüderländern", die nach der Wiedervereinigung teilweise auf abenteuerliche Weise in ihre Heimat zurückverbracht wurden (z.T. gab es Abkommen mit den Staat, der dafür Geld bekam, die Leute zurückzunehmen, aber die Betroffenen sahen keinen Pfennig - Vietnam).

Meinen Sie nicht, daß diese Menschen ein Bleiberecht und ein Recht auf Einbürgerung erworben haben - schon indem sie für ein Taschengeld und unter menschenunwürdigen Bedingungen - geschlechtergetrennt in Wohnheimen untergebracht - lange Jahr ihre Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt haben.

Antwort:Die PDS hat sich für ein Bleiberecht der VertragsarbeitnehmerInnen aus den sozialistischen oder komunistischen "Schwesterländern" eingesetzt. Diese waren zweifellos in der ehemaligen DDR durch die Art und Weise ihrer Arbeitsvertragssituation benachteiligt, aber auch durch die Situation, daß sie keinerlei Integrationsrechte hatten. Leider hat aber auch die Bundesrepublik Deutschland nach der Vereinigung diese Menschen nicht gleichgestellt, sondern es mußte lange darum gekämpft werden, daß wenigstens zwei Drittel ihrer Anwesenheitsjahre in der ehemaligen DDR anerkannt wurden. Ein Großteil von ihnen hat das Land verlassen oder ein Asylantrag gestellt. Bis heute ist es leider so, daß diejenigen, die Arbeit und eine Wohnung haben, das Recht haben hierzubleiben.Die anderen,die weder das eine noch das andere haben, haben keinen gesicherten Aufenthaltsstatus.

Absender:
Frage:Meinen Sie, daß es überhaupt Sinn macht, bei den vielen rechtsradikalen ostdeutschen Jugendlichen eine Integration von Ausländern zu probieren? Integriert aber mit Schädelbruch - was bringt mir das.
Antwort:Die Integration kann und darf meiner Meinung nach nicht vom deutschen Paß abhängig gemacht werden. Sie haben natürlich völlig Recht, daß ein(e) AusländerIn zwar mit einem deutschen Paß gleichgestellt ist, aber den rechtsextremistischen Banden, die Menschen angreifen, weiterhin ausgeliefert bleiben. Rassismus und Ausländerfeindlichkeit kann und muß in diesem Land damit bekämpft werden, daß Rechtsextremisten geächtet werden, und Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt bei uns haben, rechtlich gleichgestellt werden. Nur das würde die Überheblichkeit des Deutschseins auch in den Köpfen verändern.

Absender:Miriam Hornung
Frage:Man hört zwar viel von den anderen Parteien, aber was hält eigentlich die PDS von der doppelten Staatsangehörigkeit? Was hält sie von dem FDP-Vorschlag? Miriam Hornung, 13 Jahre, Baden-Württemberg
Antwort:Die PDS ist immer für die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft eingetreten bzw. für die erleichterte Einbürgerung. Die FDP schlägt eine sogenannte Schnupper-Staatsbürgerschaft vor. D.h., daß junge Menschen sich nach 23 Jahren entscheiden müssen. Das finden wir grundweg falsch, weil es oft für einen Menschen wichtig ist, seine Herkunft bzw. die seiner Eltern kulturell und ideell beibehalten zu können.

Absender:C.Friehe
Frage:Auch bei Ihnen habe ich ein Problem - unter "Veröffentlichungspflichtige Angaben" zu Ihrer Person finde ich nichts. Hatten Sie bisher keine Zeit dazu oder klappt die entsprechende Technik des Bundestages nicht?
Antwort:Keine Ahnung. Was wollen Sie wissen?

Absender:Oliver Schael
Frage:Sehr geehrte Frau Jelpke,

Sie werfen der rot-grünen Regierung beim Thema Staatsbürgerschaft Verrat vor, da diese nun ihre ursprüngliche Vorlage korrigieren will.

Nun gibt es im Bundesrat nach der Hessen-Wahl für den Regierungsentwurf keine Mehrheit mehr.

Was die Regiergung Ihrer Meinung nach tun, damit nicht alles beim Alten bleibt?

Antwort:Ich habe immer die Position vertreten, daß jede erleichterte Einbürgerung ein Fortschritt gegenüber dem jetzigen völkisch orientierten Staatsbürgerschaftsrecht ist. Die Grünen/Bündnis 90 müssen gezwungenermaßen einen Kompromiß eingehen. Aber auch hier gibt es Essentials, die unerläßlich für die Reform eines Staatsbürgerschaftsrechts sind. Zum Beispiel, daß Menschen, die in unserem Land geboren sind, die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten (was weltweit und insbesondere in West-Europoa fast eine Selbstverständlichkeit ist). Ich erwarte, daß die Staatsbürgerschaftsreform nicht mehr von der Blut und Boden-Theorie geprägt ist.

Absender:C.Friehe
Frage:Jetzt haben Sie mich aber erwischt! Eigentlich habe ich mich gerade als Prinzipienreiter entpuppt: Ich wollte nur wissen, mit wem ich da spreche und fand nts. Das irritierte mich. Eins zu Null für Sie! Mit ihrem Statement zur Sache kann ich aber gut relativ gut leben. Ich lebe über beruflich seit über 25 Jahren "aus dem Koffer" in aller Herren Länder und war immer selbst Ausländer. Wenn ich da die Argumente der einschlägigen Politiker höre, sträuben sich mir die Nackenhaare. Ich hoffe, Sie bleiben auch weiterhin bei Ihrer, wenn auch leider unpopulären, Linie. Ich bin übrigens kein PDS-Anhänger, sondern neutral.
Antwort:Genauso hatte ich es mir gedacht. Wer so fragt, braucht die passende Antwort. Aber trotzdem: Ich bin seit 8 Jahren im Bundestag und mein Schwerpunkt war und ist eine Politik für Menschen ausländischer Herkunft zu praktizieren,die vorrangig gleiche Rechte für alle fordert, die in diesem Deutschland ihren Lebensmittelpunkt haben. Ich bin fest davon überzeugt, wenn unsere Gesetze entrümpelt werden würden von Sonderregelungen für AusländerInnen, hätte der Rassismus und die Ausländerfeindlichkeit in unserem Land nicht das Ausmaß erreicht, was wir heute leider verzeichnen müssen.

Noch nie waren die Straftaten mit rechtsextremistischem und antisemitischem Hintergrund in diesem Nachkriegsdeutschland so hoch wie jetzt. Wir brauchen eine verstärkte Aufklärungsarbeit und Gesetze, die Rassismus und Antisemitismus ächten und verurteilen. Deshalb haben wir auch schon in zwei Legislaturperioden ein Antirassismus-Gesetz in den Bundestag eingebracht. Uns ging es dabei vorrangig um den alltäglichen Rassismus, also z.B. um Dinge wie "Wohnung nicht für Ausländer" oder "Kein Zutritt für Ausländer". Das ist beispielsweise in einer Stadt wie Hamburg in Diskotheken oder Restaurants möglich. Unser Gesetz würde solche Dinge verbieten und die Betroffenen entschädigen.

Sicherlich sind Gesetze bzw. Verschärfungen von Strafen nicht die richtige Methode, das Denken der Menschen zu verändern, aber gegenwärtig für die Betroffenen eine Hilfestellung. Deshalb werde ich mich auch in dieser Legislaturperiode wieder für ein Gesetz einsetzen, was Menschen ausländischer Herkunft weder diskriminieren darf noch ungleich behandeln darf.


Absender:K.Sørensen_Juengling Fevik Norge
Frage:Warum macht man sich die Angelgenheit nicht noch schwerer?
In einem europäischen Haus ..... hier gibt es das skandinavische Haus und die lassen keinen rein und halten sich nicht an Abkommen (EFTA) Fazit: Ein Europäischer Pass ?!!!?
Antwort:De facto haben diejenigen Menschen, die aus einem Land der Schengener Vertragsstaaten kommen, so etwas wie einen europäischen Paß. Sie kommen nämlich aus dem reichen Westeuropa, das ganz stolz darauf ist, seine Grenzen geöffnet zu haben, dafür aber umso mehr die Abschottung der Außengrenzen verlangt. Es heißt sogar in den Schengener Abkommen "Flüchtlingsabwehrpolitik ist nötig".

Nur wer die Sicherheitsstandards der westeuropäischen Länder (Kriterien werden hier vorwiegend von Deutschland und Frankreich gesetzt) erreicht, hat eine Chance, in die EU oder Schengen assoziiert zu werden. So z.B. ringen gegenwärtig Länder wie Polen, Ungarn und Tschechien um diese Mitgliedschaft und haben nur die Chance, gleichgestellt zu werden, wenn sie ihre Außengrenzen entsprechend militärisch und technisch sichern. Offene Grenzen für Menschen in Not - ich betone "für Menschen in Not" - gibt es de facto nicht mehr.

Diese osteuropäischen Länder müssen unter größten Mühen die Sicherheitsstandards aus ihren Haushalten erwirtschaften und das geht auf Kosten von Humanität und Menschenrechten. Einige Mitglieder des Innenausschusses haben sich von dieser Situation in der vergangenen Woche ein Bild gemacht. Mit dem Schengener Abkommen ist die versprochene Freizügigkeit nicht hergestellt worden.

Ganz im Gegenteil: Die Situation für einen europäischen Paß (für alle Europäer) ist schwerer denn je geworden.


Absender:Klaus Bischof
Frage:Wie soll Ihrer Meinung nach ein Mesch zwei Staaten gegenüber loyal sein ? Man muß doch gewisse Pflichten übernehmen! Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich mich verhalten soll, wenn zwischen diesen 2 Staaten, ein Konflikt ausbricht?
Antwort:Letztendlich im Konfliktfall wird man natürlich eine Entscheidung treffen müssen. Wenn z.B. die Türkei und Deutschland Konflikte miteinander austragen, muß ein Türke oder ein Kurde nicht die Haltung der Bundesrepublik übernehmen. Wenn sie ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, kann es Meinungsverschiedenheiten wie beispielsweise in den politischen Parteien genauso zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kulturen geben. In bestimmten politischen Fragen haben auch die Deutschen ein völlig unterschiedliches Verhältnis zur Loyalität gegenüber diesem Staat. Also, wo ist das Problem?

Absender:Sørensen-Juengling, fevik
Frage:Sollte es nicht so sein, dass alle Bewohner eines Hauses auch die gleiche Anschrift besitzen..
Wir selbst wohnen nun ausserhalb, aber warum soll die Anschrift (der Pass und Staatsbuergerschaft) ab- oder aufgegeben werden?
Weiter sind die groessten Probleme auch die groesste Herausforderung an unsere Gesellschaft.
Ich bin sicher, es wird sich eine humane Løsung abzeichnen.
Antwort:Zweifellos ist die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts bzw. die doppelte Staatsbürgerschaft eine große Herausforderung, denn wir müssen noch viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit in der Bevölkerung leisten. Durch Medien und Politik wird oftmals suggeriert, daß Menschen, die die doppelte Staatsbürgerschaft erhalten oder behalten wollen, mehr Rechte hätten als die Deutschen, also daß sie privilegiert seien. Ich halte das für eine gefährliche Debatte, weil sie Sozialneid und Ausländerfeindlichkeit in den Köpfen vieler Menschen fördert.

Dabei ist es eigentlich ganz simpel: Warum soll ein Mensch, der in Deutschland arbeitet und lebt, nicht seine Kultur, seine Herkunft weiterleben dürfen? Warum wird immer gleich verlangt, richtig deutsch werden zu müssen. Wir verlangen ja auf der anderen Seite auch nicht, daß alle Katholiken werden müssen. Eigentlich geht es nur um die Frage der Akzeptanz, denn wie soll allen Ernstes ein Mensch, der zwei Staatsbürgerschaften hat, "Privilegien" in den Ländern seiner Staatsbürgerschaften wahrnehmen können? Ein Armer wird arm bleiben und ein Reicher wird reich sein, egal welche Staatsbürgerschaft er hat.

So oder so: Wir werden für eine humane Lösung kämpfen.


Absender:Achim
Frage:Liebe Frau Jelpke,

ich hoffe nur, dass Ihre Partei die Altlasten abwirft (man muß wirklich keinen Ex-Agenten zum Mitarbeiter machen) und so eine linke Alternative in Deutschland stellen kann. Denn tatsächlich begehen die SPD und sogar die Grünen Verrat an der guten Sache - siehe doppelte Staatsbürgerschaft.

Antwort:Leider ist die Online-Konferenz zu Ende und es bleibt uns nur die Zeit, allen Interessierten einen schönen Abend zu wünschen und weiterhin für eine Reform der erleichterten Staatsbürgerrechte bzw. die doppelte Staatsangehörigkeit zu kämpfen.

In diesem Sinne
Ulla Jelpke

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