Gedichte & Märchen
Putting our World in Perspective
Rainer Maria Rilke Der Panther
Otti Pfeifer Annahme
Tobias Brocher Bitte höre, was ich nicht sage...
Hans Curt Flemming u.a. Brandherd - Sprengsatz  - Vom Kaninchen und der Schlange
Erich Kästner u.a. Hotelsolo für eine Männerstimme - Ein Mann gibt Auskunft - Der Kümmerer
Rio Reiser und TSS u.a. Halt Dich an Deiner Liebe fest - Der Traum ist aus - Land in Sicht u.v.m
Herman van Veen u.a. Alles, was ich hab - Ich hab ein zärtliches Gefühl - Geschichte von Gott
Diverse Quellen u.a. Gustav Landauer, Bert Brecht, Erich Kästner
online: http://www.gedichte-gedanken.de/


Der Panther

Sein Blick ist vom Vorübergehen der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend stäbe gebe
und hinter tausend stäben keine welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt ein Vorhang der Pupille
sich lautlos auf, dann geht ein Bild hinein,
geht durch die Glieder aufgespannter Stille,
und hört im Herzen auf zu sein

Rainer Maria Rilke


Annahme

Ich träume davon,
daß jemand mich gebrauchen könnte,
meine warme Haut,
meine Zuneigung,
meine zudringliche Zärtlichkeit.

Ich träume davon,
daß jemand mich annähme,
einfach so, wie ich bin,
mit ungereimten Wünschen,
unfertigem Charakter
und alten Ängsten.

Ich träume davon,
daß jemand mich gelten läßt
ohne mich zu erziehen,
mit mir übereinstimmt
ohne sich anzustrengen.

Ich träume davon,
daß ich mich nicht verteidigen muß,
nicht erklären und kämpfen muß.

Ich träume davon,
daß einer mich liebt.

Otti Pfeiffer

Bitte höre, was ich nicht sage!

Bitte höre, was ich nicht sage! Laß dich nicht von mir narren. Laß dich nicht durch das Gesicht täuschen, das ich mache, denn ich trage Masken, Masken, die ich fürchte, abzulegen. Und keine davon bin ich. So tun als ob ist eine Kunst, die mir zur zweiten Natur wurde. Aber laß dich dadurch nicht täuschen, ich mache den Eindruck, als sei ich umgänglich, als sei alles heiter in mir, und so als brauchte ich niemanden. Aber glaub mir nicht! Mein Äußeres mag sicher erscheinen, aber es ist meine Maske. Darunter bin ich, wie. ich wirklich bin: verwirrt, in Furcht und allein. Aber ich verberge das. Ich möchte nicht, daß es irgend jemand merkt. Beim bloßen Gedanken an meine Schwächen bekomme ich Panik und fürchte mich davor, mich anderen überhaupt auszusetzen. Gerade deshalb erfinde ich verzweifelt Masken, hinter denen ich mich verbergen kann: eine lässige Fassade, die mir hilft, etwas vorzutäuschen, die mich vor dem wissenden Blick sichert, der mich erkennen würde. Dabei wäre dieser Blick gerade meine Rettung. Und ich weiß es. Wenn es jemand wäre, der mich annimmt und mich liebt. Das ist das einzige, das mir die Sicherheit geben würde, die ich mir selbst nicht geben kann: daß ich wirklich etwas wert bin. Aber das sage ich dir nicht. Ich wage es nicht. Ich habe Angst davor. Ich habe Angst, daß dein Blick nicht von Annahme und Liebe begleitet wird. Ich fürchte, du wirst gering von mir denken und über mich lachen. Und dein Lachen würde mich umbringen. Ich habe Angst, daß ich tief drinnen in mir nichts bin, nichts wert, und daß du das siehst und mich abweisen wirst. So spiele ich mein Spiel, mein verzweifeltes Spiel: eine sichere Fassade außen und ein zitterndes Kind innen. Ich rede daher im gängigen Ton oberflächlichen Geschwätzes.

Ich erzähle dir alles, was wirklich nichts ist, und nichts von alledem, was wirklich ist, was in mir schreit; deshalb laß dich nicht täuschen von dem, was ich aus Gewohnheit rede. Bitte höre sorgfältig hin und versuche zu hören, was ich nicht sage, was ich gerne sagen möchte, was ich aber nicht sagen kann. - Ich  verabscheue dieses Versteckspiel, das ich da aufführe. Es ist ein oberflächliches, unechtes Spiel: Ich möchte wirklich echt und spontan sein können, einfach ich selbst, aber du mußt mir helfen. Du mußt deine Hand ausstrecken, selbst wenn es gerade das letzte zu sein scheint, was ich mir wünsche. Nur du kannst mich zum Leben rufen. Jedesmal, wenn du freundlich und gut bist und mir Mut machst, jedesmal, wenn du zu verstehen suchst, weil du dich wirklich um mich sorgst, bekommt mein Herz Flügel, sehr kleine Flügel, sehr brüchige Schwingen, aber Flügel! Dein Gespür und die Kraft deines Verstehens geben mir Leben. Ich möchte, daß du das weißt. Ich möchte, daß du weißt, wie wichtig du für mich bist, wie sehr du aus mir den Menschen machen kannst, der ich wirklich bin,. wenn du willst. Bitte, ich wünschte, du wolltest es. Du allein kannst die Wand niederreißen, hinter: der ich zittere. Du allein kannst mir die Maske abnehmen. Du allein kannst mich aus meiner Schattenwelt, aus Angst und Unsicherheit befreien, aus meiner Einsamkeit. Übersieh mich nicht. Bitte, übergeh mich nicht! Es wird nicht leicht für dich sein. Die langandauernde Überzeugung, wertlos zu sein, schafft dicke Mauern. Je näher du mir kommst, desto blinder schlage ich zurück. Ich wehre mich gegen das, wonach ich schreie. Aber man hat mir gesagt, daß Liebe stärker sei als jeder Schutzwall, und darauf hoffe ich. Wer ich bin, willst du wissen? Ich bin jemand, den du sehr gut kennst und der dir oft begegnet.

Tobias Brocher


Hotelsolo für eine Männerstimme

Das ist mein Zimmer und ist doch nicht meines.
Zwei Betten stehen Hand in Hand darin.
Zwei Betten sind es. Doch ich brauch nur eines.
Weil ich schon wieder mal alleine bin.

Der Koffer gähnt. Auch mir ist müd zumute.
Du fuhrst zu einem ziemlich andren Mann.
Ich kenn ihn gut. Ich wünsch dir alles Gute.
Und wünsche fast, du kämest niemals an.

Ich hätte dich nicht gehen lassen sollen!
(Nicht meinetwegen. Ich bin gern allein.)
Und doch: Wenn Frauen Fehler machen wollen,
dann soll man ihnen nicht im Wege sein.

Die Welt ist groß. Du wirst dich drin verlaufen.
Wenn du dich nur nicht allzu weit verirrst ...
Ich aber werd mich heute nacht besaufen
und bißchen beten, daß du glücklich wirst.

Erich Kästner

Ein Mann gibt Auskunft
Das Jahr war schön und wird nie wiederkehren.
Du wußtest, was ich wollte, stets und gehst.
Ich wünschte zwar, ich könnte dir´s erklären,
und wünschte doch, daß du mich nicht verstehst.

Ich riet dir manchmal, dich von mir zu trennen,
und danke dir, daß du bis heute bliebst.
Du kanntest mich und lerntest mich nicht kennen.
Ich hatte Angst vor dir, weil du mich liebst.

Du denkst vielleicht, ich hätte dich betrogen.
Du denkst bestimmt, ich wäre nicht wie einst.
Und dabei habe ich dich nie belogen!
Wenn du auch weinst.

Du zürntest manchmal über meine Kühle.
Ich muß dir sagen: Damals warst du klug.
Ich hatte stets die nämlichen Gefühle.
Sie waren aber niemals stark genug.

Du denkst, das klingt, als wollte ich mich loben
und stünde stolz auf einer Art Podest.
Ich stand nur fern von dir. Ich stand nicht oben.
Du bist mir böse, weil du mich verläßt.

Es gibt auch andre, die wie ich empfinden.
Wir sind um soviel ärmer, als ihr seid.
Wir suchen nicht. Wir lassen uns bloß finden.
Wenn wir euch leiden sehn, packt uns der Neid.

Ihr habt es gut. Denn ihr dürft alles fühlen.
Und wenn ihr trauert, drückt uns nur der Schuh.
Ach, unsre Seelen sitzen wie auf Stühlen
und sehn der Liebe zu.

Ich hatte Furcht vor Dir. Du stelltest Fragen.
Ich brauchte dich und tat dir doch nur weh.
Du wolltest Antwort. Sollte ich denn sagen:
Geh...

Es ist bequem, mit Worten zu erklären.
Ich tu es nur, weil du es so verlangst.
Das Jahr war schön und wird nie wiederkehren.
Und wer kommt nun? Leb wohl! Ich habe Angst.

Erich Kästner


Der Kümmerer

Der Kümmerer ist zwar ein Mann,
doch seine Männlichkeit hält sich in Grenzen.
Er nimmt sich zwar der Frauen an,
doch andre Männer ziehn die Konsequenzen.

Der Kümmerer ist ein Subjekt,
das Frauen, wenn es sein muß, zwar bedichtet,
hingegen auf den Endeffekt
von vornherein und überhaupt verzichtet.

Er dient den Frauen ohne Lohn.
Er liebt die Frau en gros, er liebt summarisch.
Er liebt die Liebe mehr als die Person.
Er liebt, mit einem Worte, vegetarisch !

Er wiehert nicht. Er wird nicht wild.
Er hilft beim Einkauf, denn er ist ein Kennler.
Sein Blick macht aus der Frau ein Bild.
Die andren Blicke werfen andre Männer.

Die Kümmerer sind nicht ganz neu.
Auch von von Goethe wird uns das bekräftigt.
Sein Clärchen war dem Egmont treu,
doch der war meist mit Heldentum beschäftigt.

So kam Herr Brackenburg ins Haus,
vertrieb die Zeit und half beim Wäschelegen.
Am Abend warf sie ihn hinaus.
Wer Goethes Werke kennt, der weiß weswegen.

Die Kümmerer sind sehr begehrt,
weil sie bescheiden sind und nichts begehren.
Sie wollen keinen Gegenwert.
Sie wollen nichts als da sein und verehren.

Sie heben euch auf einen Sockel,
der euch zum Denkmal macht und förmlich weiht.
Dann blicken sie durch ihr Monokel
und wundern sich, daß ihr unnahbar seid.

Dann knien sie hin und beten an.
Ihr gähnt und haltet euch mit Mühe munter.
Zum Glück kommt dann und wann ein Mann
und holt euch von dem Sockel runter!

Erich Kästner

Alles, was ich hab

Alles, was ich weiß, weiß ich von einem andern
und alles, was ich laß, laß ich für einen andern
alles, was ich hab, ist ein Name nur
den hab ich von einem andern.

Alles, was ich sag, sag ich einem andern
und alles, was ich geb, geb ich einem andern
alles, was ich hab, ist ein Name nur
den hab ich von einem andern.

Die Hand, die ich geb, geb ich einem andern
und die Tränen, die ich laß
wein ich um einen andern
den Sinn, den ich hab, hab ich in einem andern
und die Liebe, die ich fühl, ist für einen andern.

Nur meine Gänsehaut ist von mir selbst.

Herman van Veen

Geschichte von Gott

Als Gott nach langem Zögern wieder mal nach Haus ging, war es sagenhaftes Wetter und das erste, was Gott tat, war die Fenster sperrangelweit zu öffnen, um sein Häuschen gut zu lüften. Und Gott dachte, vor dem Essen werd ich mir noch kurz die Beine vertreten und er lief den Hügel hinab zu jenem Dorf, von dem er genau wußte, daß es da lag.

Und das erste, was Gott auffiel, war, daß mitten im Dorf während seiner Abwesenheit etwas geschehen war, was er nicht kannte. Mitten auf dem Platz stand eine Masse mit einer Kuppel und einem Pfeil, der pedantisch nach oben wies. Und Gott rannte mit Riesenschritten den Hügel hinab, stürmte die monumentale Treppe hinauf und befand sich in einem unheimlichen, naßkalten, halbdunklen, muffigen Raum. Und dieser Raum hing voll mit allerlei merkwürdigen Bildern: viele Mütter mit Kindern mit Reifen überm Kopf und ein fast sadistisches Standbild von einem Mann an einem Lattengerüst.

Und der Raum wurde erleuchtet von einer Anzahl fettiger, gelblich-weißer
triefender Substanzen, aus denen Licht leckte. Er sah auch eine höchst unwahrscheinliche Menge kleiner Kerle herumlaufen mit dunkelbraunen und schwarzen Kleidern und dicken Büchern unter müden Achseln, die selbst aus einiger Entfernung leicht moderig rochen.

«Komm mal her . . . was ist das hier?»
«Was das ist? Das ist eine Kirche mein Freund,
das ist das Haus Gottes, Freund.»
Aha . . . wenn das hier das Haus Gottes ist, Junge,
warum blühen hier dann keine Blumen,
warum strömt dann hier kein Wasser und
warum scheint dann hier die Sonne nicht, Bürschchen?»
«Das weiß ich nicht.»
«Kommen hier viele Menschen her, Knabe?»
«Es geht in letzter Zeit ein bißchen zurück, mein Freund.»
«Und woher kommt das deiner Meinung nach, oder hast du keine?»
«Der Teufel . . . 's ist der Teufel der Teufel ist in die Menschen gefahren, die Menschen denken heutzutage, daß sie selbst Gott sind und sitzen lieber auf ihrem Hintern in der Sonne.»

Und Gott lief fröhlich pfeifend aus der Kirche auf den Platz, da sah er auf einer Bank einen kleinen Kerl in der Sonne sitzen und Gott schob sich neben das Männlein, schlug die Beine übereinander und sagte: «. . . Kollege!»

Herman van Veen

Ich hab ein zärtliches Gefühl

Ich hab ein zärtliches Gefühl für jeden Nichtsnutz, jeden Kerl,
der frei umherzieht, ohne Ziel, der niemands Knecht ist, niemands Herr.

Ich hab ein zärtliches Gefühl für den, der sich zu träumen traut,
und, wenn sein Traum die Wahrheit trifft, noch lachen kann, wenn auch zu laut.

Ich hab ein zärtliches Gefühl für den, der seinen Mund auftut,
der Gesten gegenüber kühl und brüllt, wenn´s ihm danach zumut.

Ich hab ein zärtliches Gefühl für jede Frau, für jeden Mann,
für jeden Menschen, wenn er nur vollkommen wehrlos lieben kann.

Herman van Veen


Jesus, erklär mir

Jesus erklär mir,
warum sprang der ausgelöschte viel zu junge Mann
von so hoch nach unten?

Jesus,
warum räumte er seine Sachen
bevor er sprang
so schön ordentlich auf?

Jesus,
warum mußten deine Kinder
seinen verstümmelten Körper finden?

Jesus,
hätte er nicht einfach
in der Sonne schmelzen können?

Herman van Veen

Was es ist

Es ist Unsinn, sagt die Vernunft.

Es ist was es ist, sagt die Liebe.

Es ist Unglück, sagt die Berechnung.
Es ist nichts als Schmerz, sagt die Angst.
Es ist aussichtslos, sagt die Einsicht.

Es ist was es ist, sagt die Liebe.

Es ist lächerlich, sagt der Stolz.
Es ist leichtsinnig, sagt die Vorsicht.
Es ist unmöglich, sagt die Erfahrung.

Es ist was es ist, sagt die Liebe.

Erich Fried


Kein Zurück

Weißt du noch wie's war,
Kinderzeit – wunderbar,
Die Welt ist bunt und schön.

Bis du irgendwann begreifst,
Dass nicht jeder Abschied heißt,
Es gibt auch ein Wiederseh'n.

Immer vorwärts Schritt um Schritt,
Es geht kein Weg zurück.
Was jetzt ist wird nie mehr ungescheh'n.
Die Zeit läuft uns davon,
Was getan ist ist getan,
Was jetzt ist wird nie mehr so gescheh'n.

Es gibt kein Weg zurück.
Es gibt kein Weg zurück.

Ein Wort zuviel im Zorn gesagt,
Ein Schritt zu weit nach vorn gewagt,
Schon ist es vorbei.

Was auch immer jetzt getan,
Was ich gesagt hab' ist gesagt,
Und was wie ewig schien ist schon Vergangenheit.

Immer vorwärts Schritt um Schritt,
Es geht kein Weg zurück.
Was jetzt ist wird nie mehr ungescheh'n.
Die Zeit läuft uns davon,
Was getan ist ist getan,
Was jetzt ist wird nie mehr so gescheh'n.

Ach und könnt' ich doch nur ein einz'ges Mal die Uhren rückwärts dreh'n.
Denn wie viel von dem, was ich heute weiß, hätt' ich lieber nie geseh'n.

Es gibt kein Weg zurück.
Es gibt kein Weg zurück.
Es gibt kein Weg zurück..

Dein Leben dreht sich nur im Kreis,
So voll von weggeworf'ner Zeit.
Deine Träume schiebst du endlos vor dir her.

Du willst noch leben irgendwann,
Doch wenn nicht heute wann denn dann,
Denn irgendwann ist auch ein Traum zu lange her.

Immer vorwärts Schritt um Schritt,
Es geht kein Weg zurück.
Was jetzt ist wird nie mehr ungescheh'n.
Die Zeit läuft uns davon,
Was getan ist ist getan,
Was jetzt ist wird nie mehr so gescheh'n.

(Ach und könnt' ich doch nur ein einz'ges Mal die Uhren rückwärts dreh'n.
Denn wie viel von dem, was ich heute weiß, hätt' ich lieber nie geseh'n.)

Immer vorwärts Schritt um Schritt,
Es geht kein Weg zurück.
Was jetzt ist wird nie mehr ungescheh'n.
Die Zeit läuft uns davon,
Was getan ist ist getan,
Was jetzt ist wird nie mehr so gescheh'n.

Wolfsheim


An Euch

Wenn ich im Kanal mit meine besten Freund',
das sind die Ratten, schwarze Messen lesen tu',
dann bleibt's oben, Ihr lieben Leut'
und störts' uns net,
laßt's den Kanaldeckel g'fälligst zu.

Und wenn ich mit an Schmetterlingsnetz
kleine Engerln fangen tu', wenn ich sie rupf
und mich mit ihren Federn schmück',
regt's Euch net auf, es gibt eh no gnua.

Stellt's Euch vor, ich hab's mit 13 Hexen trieben,
und jede hat mir ein kleines Teuferl geboren,
da könnt's noch soviel Haken und Kreuzeschlagen,
ich bin stolz auf meine Buben.

Und wenn ich einmal genug hab' und mir die
Zähnd mit einer Black und Decker putz'
und mir Piranhas in's Fußbad einehau,
merkt's Euch, liebe Leut', ich kann gehen,
wann und wie ich will, das geht Euch überhaupt nix an. 

Ludwig Hirsch

Komm großer schwarzer Vogel

Komm großer schwarzer Vogel, komm jetzt!
Schau, das Fenster ist weit offen,
schau, ich hab' Dir Zucker aufs Fensterbrett g'straht.

Komm großer schwarzer Vogel, komm zu mir!
Spann' Deine weiten, sanften Flügel aus
und leg' s' auf meine Fieberaugen!
Bitte, hol' mich weg von da!

Und dann fliegen wir rauf,
mitten in Himmel rein,
in a neue Zeit, in a neue Welt,
und ich werd' singen, ich werd' lachen,
ich werd' "das gibt's net", schrei'n,
weil ich werd' auf einmal kapieren,
worum sich alles dreht.

Komm großer schwarzer Vogel, hilf mir doch!
Press' Deinen feuchten, kalten Schnabel
auf meine wunde, auf meine heiße Stirn!

Komm großer schwarzer Vogel,
jetzt wär's grad günstig!
Die anderen da im Zimmer schlafen fest
und wenn wir ganz leise sind,
hört uns die Schwester nicht!
Bitte, hol mich weg von da!

Und dann fliegen wir rauf, mitten in Himmel rein,
in a neue Zeit, in a neue Welt,
und ich werd' singen, ich werd' lachen,
ich werd' "das gibt's net", schrei'n,
weil ich werd' auf einmal kapieren,
worum sich alles dreht.

Ja, großer schwarzer Vogel, endlich!
Ich hab' Dich gar nicht reinkommen g'hört,
wie lautlos Du fliegst,
mein Gott, wie schön Du bist!

Auf geht's, großer schwarzer Vogel, auf geht's!
Baba, ihr meine Lieben daham!
Du, mein Mädel, und du, Mama, Baba!
Bitte, vergeßt's mich nicht!

Auf geht's, mitten in den Himmel eine,
nicht traurig sein; na, na, na,
ist kein Grund zum Traurigsein!
Ich werd' singen, ich werd' lachen,
ich werd' "das gibt's net"; schrei'n.
Ich werd' endlich kapieren,
ich werd' giücklich sein!
Ich werd' singen, ich werd' lachen,
ich werd' "des gibt's net", schrei'n.
Ich werd' endlich kapieren,
ich werd' glücklich sein!
Ich werd' singen ich werd' lachen,
ich werd' endlich glücklich sein!

Ludwig Hirsch

Die gottverdammte Pleite

Als die Kinder Kröten nach Hause brachten
und im Zirkus nicht mehr lachten,
als sie ihr Brot nicht mehr aßen
und statt dessen die Kröten fraßen,
als sie Teddybären zerrissen
und in Autoreifen bissen,
als schließlich Kindergärten brannten
und Lehrer um ihr Leben rannten,
da wußten wir, es ist aus.

Begonnen hat sie damals,
diese gottverdammte Pleite,
Ende März, im vergangenen Jahr.
"Operation Tiger" hieß das Manöver,
im Raum Waldburg und Umgebung,
wie üblich, der Grenze ziemlich nah.
Man steckte Felder in Brand,
man schoß Löcher in den Wald
und das Haus vom alten Förster traf man voll.
Doch das Schlimme an der Sache,
und das wußten wir noch nicht,
da hat ein Panzer einen Hasen überrollt.
Ja, das Schlimme an der Sache,
und das wußten wir noch nicht,
da hat ein Panzer einen Hasen überrollt.

Lisa, das kleine Mädchen,
mit der großen rosa Schleife,
spielt im Garten, vor dem Haus, mit ihrem Hund.
Die Eltern sitzen im Salon,
„Was Herr Klavierlehrer, Sie gehen schon?",
fragt die Mutter und schiebt ihm Marzipan in den Mund.
Da tritt Lisa durch die Tür, zieht ihren Hund hinterher,
ihren Hund, dem wer die Kehle durchgebissen hat.
Der Vater schreit, die Mutter weint,
der Klavierlehrer kotzt ihr Marzipan auf's Kleid,
nur Lisa lächelt, mit blutverschmiertem Mund.
Ja im Raum Waldburg an der Grenze,
hat dieser gottverdammte Panzer
diesen gottverdammten Hasen überrollt.

Der kleine Thomas ist 7 Jahr',
und er freut sich jedesmal,
wenn ihn am Wochenende Großvater besucht,
denn der liest ihm schöne Mähren,
von Prinzessinnen und Zwergen,
aus dem mitgebrachten, alten Märchenbuch.
Ja, dem Großvater, so sagen sie,
dem schlägt das Herz am rechten Fleck,
nur dieses Wochenende hat ihm wer
den Schrittmacher versteckt.
In seinem Zimmer baut allein,
der kleine Thomas ganz geheim,
in seine Eisenbahn den Herzschrittmacher ein.
Ja, im Raum Waldburg an der Grenze,
hat dieser gottverdammte Panzer
diesen gottverdammten Hasen überrollt.

Bis auf die Zähne bewaffnet und zitternd vor Angst,
die Kerze wirft Schatten, die Kellerwand tanzt,
so hocken wir da unten und Tränen weinen wir, Tränen.
Unsere Kleinen, da draußen, verbrennen die Erde,
es kochen die Flüsse, es verdampfen die Meere,
oben am Himmel der kleine Bär, schläft auch nicht mehr.
Ja, unsere Kleinen, unsere Kleinen haben uns den Krieg erklärt,
haben Dir, Mutter mir, Vater, den Krieg erklärt,
weil im Raum Waldburg, an der Grenze,
hat dieser gottverdammte Panzer den Osterhasen überrollt. 

Ludwig Hirsch

Befreiung gibt es nur für die,
die sich innerlich und äußerlich instand setzen,
aus dem Kapitalismus auszutreten,
die aufhören, eine Rolle zu spielen,
und beginnen, Menschen zu sein.

Damit beginnt man Mensch zu sein,
daß man nicht mehr für das Unechte, den Profit und seinen Markt,
sondern für das echte menschliche Bedürfnis arbeitet,[...]

Heute ergeht der Aufruf zum Sozialismus an alle,
nicht in dem Glauben, daß alle ihn vollbringen könnten weil wollten,
sondern in dem Wunsche,
einzelne zum Bewußtsein ihrer Zusammenhörigkeit,
zum Bunde der Beginnenden zu fordern.
Die Menschen, die es nicht mehr aushalten können und wollen,
das sind die, die hier gerufen werden.

Gustav Landauer
(Aufruf zum Sozialismus, S.167)

Zur Liebe gehört immer,
daß sie einen Menschen da aufsucht, wo er ist
und nicht dort, wo man ihn haben möchte.
Köberle

Nichts kann den Menschen mehr stärken
als das Vertrauen, das man ihm entgegenbringt.
von Harnack

Wenn Du nicht willst, daß Dich die Angst einholt,
darfst Du nicht vor ihr davonlaufen.
Unbekannte Quelle

Verloren das Land, das keine Helden hat?
Nein, verloren das Land, das Helden nötig hat.
Bert Brecht

Auf wen rechnen wir noch?
Sind wir Übriggebliebene, herausgeschleudert aus dem lebendigen Fluß?
Werden wir zurückbleiben,
keinen mehr verstehend und von keinem verstanden?
Müssen wir Glück habe? So fragst du.
Erwarte keine Antwort
als die Deine!
Bert Brecht

Geschichten vom Herrn Keuner

Einer fragte Herrn K., ob es einen Gott gäbe.

Herr K. sagte: "Ich rate dir, nachzudenken, ob dein Verhalten
je nach der Antwort auf diese Frage sich ändern würde.

Würde es sich nicht ändern, dann können wir die Frage fallenlassen.

Würde es sich ändern, dann kann ich dir wenigstens noch so weit behilflich sein,
dass ich dir sage, du hast dich schon entschieden:

Du brauchst einen Gott."

Bert Brecht

...gut, das klingt wie aus einem maerchenbuch!
aber warum denn nicht,
warum sollen wir kein maerchenbuch realisieren, verdammt juchhe!
Erich Kaestner

Welches ist der beste Staat?
Der, in dem die Nichtbetroffenen ebenso empört über ein Unrecht sind
wie die Betroffenen.
(Solon, ca.639-559 v.Chr.)

Das Ende einer Liebe

ist die Vorraussetzung für den Beginn einer neuen,
ist der Grund von Traurigkeit und Enttäuschung,
ist der Zusammenbruch einer guten Vergangenheit
und das Zögern vor dem Aufbau einer besseren Gegenwart.

Unbekannt

Hotelsolo für eine Männerstimme

Das ist mein Zimmer und ist doch nicht meines.
Zwei Betten stehen Hand in Hand darin.
Zwei Betten sind es. Doch ich brauch nur eines.
Weil ich schon wieder mal alleine bin.

Der Koffer gähnt. Auch mir ist müd zumute.
Du fuhrst zu einem ziemlich andren Mann.
Ich kenn ihn gut. Ich wünsch dir alles Gute.
Und wünsche fast, du kämest niemals an.

Ich hätte dich nicht gehen lassen sollen!
(Nicht meinetwegen. Ich bin gern allein.)
Und doch: Wenn Frauen Fehler machen wollen,
dann soll man ihnen nicht im Wege sein.

Die Welt ist groß. Du wirst dich drin verlaufen.
Wenn du dich nur nicht allzu weit verirrst ...
Ich aber werd mich heute nacht besaufen
und bißchen beten, daß du glücklich wirst.

Erich Kästner

Ein Mann gibt Auskunft

Das Jahr war schön und wird nie wiederkehren.
Du wußtest, was ich wollte, stets und gehst.
Ich wünschte zwar, ich könnte dir´s erklären,
und wünschte doch, daß du mich nicht verstehst.

Ich riet dir manchmal, dich von mir zu trennen,
und danke dir, daß du bis heute bliebst.
Du kanntest mich und lerntest mich nicht kennen.
Ich hatte Angst vor dir, weil du mich liebst.

Du denkst vielleicht, ich hätte dich betrogen.
Du denkst bestimmt, ich wäre nicht wie einst.
Und dabei habe ich dich nie belogen!
Wenn du auch weinst.

Du zürntest manchmal über meine Kühle.
Ich muß dir sagen: Damals warst du klug.
Ich hatte stets die nämlichen Gefühle.
Sie waren aber niemals stark genug.

Du denkst, das klingt, als wollte ich mich loben
und stünde stolz auf einer Art Podest.
Ich stand nur fern von dir. Ich stand nicht oben.
Du bist mir böse, weil du mich verläßt.

Es gibt auch andre, die wie ich empfinden.
Wir sind um soviel ärmer, als ihr seid.
Wir suchen nicht. Wir lassen uns bloß finden.
Wenn wir euch leiden sehn, packt uns der Neid.

Ihr habt es gut. Denn ihr dürft alles fühlen.
Und wenn ihr trauert, drückt uns nur der Schuh.
Ach, unsre Seelen sitzen wie auf Stühlen
und sehn der Liebe zu.

Ich hatte Furcht vor Dir. Du stelltest Fragen.
Ich brauchte dich und tat dir doch nur weh.
Du wolltest Antwort. Sollte ich denn sagen:
Geh...

Es ist bequem, mit Worten zu erklären.
Ich tu es nur, weil du es so verlangst.
Das Jahr war schön und wird nie wiederkehren.
Und wer kommt nun? Leb wohl! Ich habe Angst.

Erich Kästner

Der Kümmerer

Der Kümmerer ist zwar ein Mann,
doch seine Männlichkeit hält sich in Grenzen.
Er nimmt sich zwar der Frauen an,
doch andre Männer ziehn die Konsequenzen.

Der Kümmerer ist ein Subjekt,
das Frauen, wenn es sein muß, zwar bedichtet,
hingegen auf den Endeffekt
von vornherein und überhaupt verzichtet.

Er dient den Frauen ohne Lohn.
Er liebt die Frau en gros, er liebt summarisch.
Er liebt die Liebe mehr als die Person.
Er liebt, mit einem Worte, vegetarisch !

Er wiehert nicht. Er wird nicht wild.
Er hilft beim Einkauf, denn er ist ein Kennler.
Sein Blick macht aus der Frau ein Bild.
Die andren Blicke werfen andre Männer.

Die Kümmerer sind nicht ganz neu.
Auch von von Goethe wird uns das bekräftigt.
Sein Clärchen war dem Egmont treu,
doch der war meist mit Heldentum beschäftigt.

So kam Herr Brackenburg ins Haus,
vertrieb die Zeit und half beim Wäschelegen.
Am Abend warf sie ihn hinaus.
Wer Goethes Werke kennt, der weiß weswegen.

Die Kümmerer sind sehr begehrt,
weil sie bescheiden sind und nichts begehren.
Sie wollen keinen Gegenwert.
Sie wollen nichts als da sein und verehren.

Sie heben euch auf einen Sockel,
der euch zum Denkmal macht und förmlich weiht.
Dann blicken sie durch ihr Monokel
und wundern sich, daß ihr unnahbar seid.

Dann knien sie hin und beten an.
Ihr gähnt und haltet euch mit Mühe munter.
Zum Glück kommt dann und wann ein Mann
und holt euch von dem Sockel runter!

Erich Kästner


Die Unverbindlichkeit, das Schweigen zu einer Untat, die man weiss,
ist wahrscheinlich die allgemeinste Art unserer Mitschuld.
Erich Kästner


Die Unverbindlichkeit, das Schweigen zu einer Untat, die man weiss,
ist wahrscheinlich die allgemeinste Art unserer Mitschuld.
Erich Kästner


Die Unverbindlichkeit, das Schweigen zu einer Untat, die man weiss,
ist wahrscheinlich die allgemeinste Art unserer Mitschuld.
Erich Kästner


Die Unverbindlichkeit, das Schweigen zu einer Untat, die man weiss,
ist wahrscheinlich die allgemeinste Art unserer Mitschuld.
Max Frisch

Vielleicht sind wir nicht schuldig, aber wir sind verantwortlich.
Breyten Breytenbach

Man ist immer auf Kosten eines anderen frei.
Albert Camus

Ein Dummer findet immer einen noch Dümmeren,
der ihn bewundert.
aber er kann sich nicht willentlich verheimlichen,
daß dieser Dumme ein Dummer ist.
Simone de Beauvoir

Wo kämen wir hin,
wenn alle sagten:
"Wo kämen wir denn hin?"

und keiner losginge,
um zu sehen,
wo wir hinkämen,
wenn wir losgingen?!

Unbekannte Quelle


Krieg ist zuerst die Hoffnung, daß es einem besser gehen wird,
hierauf die Erwartung, daß es dem anderen schlechter gehen wird,
dann die Genugtuung, daß es dem anderen auch nicht besser geht,
und hernach die Überraschung, daß es beiden schlechter geht.
Karl Kraus

Die Zeiten sind, wie sie sind.
Aber sie werden noch schlimmer,
wenn man nichts dagegen tut.
Aziz Nesin

Die Demokratie setzt die Vernunft im Volke voraus,
die sie erst hervorbringen soll.
Karl Jaspers

Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben,
sondern es ist viel, die wir nicht nutzen.
Seneca

Der Tod der Utopie ist
die Ausbeutung und das Aussetzen all jener Gesetze,
die versucht haben aus dem Menschen ein würdiges Wesen zu machen.
Osvaldo Bayer

Die Welt scheint nur noch vom Geist beherrscht.
Der Verstand ist das Maß aller Dinge, wohin Du auch blickst.
Und dennoch bleibt überall nur Dummheit übrig.
Unbekannte Quelle

Wenn Du leben willst, komm heraus aus Deinem Versteck,
damit Du gesehen und erkannt wirst.
Denn nur wer Dich sieht und Dich erkennt,
wird Dich liebhaben können.
Auch die anderen werden dann den Mut finden, sich Dir zu zeigen,
denn sie können Dir dann furchtlos gegenüber stehen.
Unbekannte Quelle

In einer Zeit der Hoffnungslosigkeit
ist die Utopie der Zufluchtsort für die Hoffnung.
Unbekannte Quelle

An einem bestimmten Punkt der Grausamkeit angekommenm,
ist es schon gleich, wer sie begangen hat:
Sie soll nur aufhören!
Unbekannte Quelle